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24.11.2020

Stellungnahme zum Kreishaushalt 2021


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Haushaltsrede zur Einbringung des Kreishaushalts 2021

 

Globalen Herausforderungen lokal begegnen - ein starker ländlicher Raum braucht kommunale Unterstützung

 

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Bläse,

Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,

Verehrte Zuhörer,

vor einem Jahr stand ich zum ersten Mal vor Ihnen zur Beratung des Haushalts. Man spürte in fast allen Fraktionen eine Aufbruchsstimmung. Wir wollten alte Wege verlassen, wir wollten neu denken und die dunklen Wolken am Horizont schienen rein konjunktureller Art.

Dann kam die Corona-Pandemie.

  1. Zu den Corona-Maßnahmen

Eines vorweg: Die Mitarbeiter der Ostalb-Kliniken und des Landratsamts, insbesondere das Gesundheitsamt, haben dieses Jahr ganz außerordentliche Arbeit geleistet. Vielen Dank für die vielen Stunden Ihrer Arbeit, in denen Sie unermüdlich versucht haben die Pandemie im Ostalbkreis in den Griff zu bekommen, in denen Sie Infektionsketten nachverfolgt haben und für die Menschen im Kreis als Ansprechpartner und Wegweiser da waren. Sie haben bewiesen, wie leistungsfähig die öffentliche Verwaltung sein kann.

Mein Eindruck war im Frühjahr deshalb sogar, dass diese gute Arbeit der Verwaltungen dazu führen wird, dass die Menschen wieder ein größeres Vertrauen in die demokratischen Institutionen haben werden, weil sie auch im Ausnahmezustand gut funktionieren. Ob sich dies bewahrheitet, muss die Zukunft zeigen. Meine Befürchtung ist aber, dass dieses gewonnene Vertrauen durch die Bundes- und Landespolitik gerade verspielt wird.

Die Pandemie hat nämlich auch Schwächen in den gesetzlichen Grundlagen aufgezeigt.

Ihnen, Herr Landrat Dr. Bläse, räumt auch das neue Infektionsschutzgesetz, ganz weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in die Grundrechte der Kreisbewohner ein. Per Eilentscheid können mit einer Allgemeinverfügung -wie bereits mehrfach geschehen- ohne jegliche demokratische Kontrolle durch den Kreisrat z.B. Kontaktbeschränkungen oder Sperrstunden erlassen werden.

Ähnlich ist es im Land: der Ministerpräsident hat per Rechtsverordnung ebenfalls weitreichenden Kompetenzen und der Landtag in Stuttgart hat kein Mitspracherecht.

Diese Regelungen sind undemokratisch.

Selbstverständlich meine ich damit nicht das Infektionsschutzgesetz an sich. Das ist natürlich demokratisch ordnungsgemäß verabschiedet und erlassen worden.

Wir Freien Demokraten sind aber der Meinung, dass die gesetzlichen Regelungen nun schnell auf demokratischere Füße gestellt werden müssen. Die Gewaltenteilung und die Rechte der Parlamente müssen auch in der Pandemie gelten.

Dass dies im Sommer und auch jetzt erst letzte Woche in Berlin nicht geschehen ist, ist ein großes Versäumnis der Bundes- und Landespolitik.

Ein weiteres tun wiederholte Verstöße der Exekutive gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beim Erlass der Verordnungen. Verwaltungsgerichte mussten erst klarstellen, dass die Versammlungsfreiheit auch in der Pandemie gilt. Die Begrenzung der Ladenfläche im Einzelhandel war unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht. Und auch jetzt haben Verwaltungsgerichte schon klargestellt, dass die derzeitigen Maßnahmen teilweise rechtswidrig sind.

So verliert man das Vertrauen der Bevölkerung in die Bekämpfung der Pandemie.

Mich ärgert dabei besonders, dass bei den Maßnahmen im November gegen den Rat des Robert-Koch-Instituts und auch weiterer anerkannter Virologen, Gastronomie, Hotels sowie Kunst- und Kultureinrichtungen schließen mussten. Laut Bericht der Schwäbischen Post vom 02.11.2020 musste im Ostalbkreis noch in keinem einzigen Fall zur Nachverfolgung auf die Kontaktzettel der Gastronomen zurückgegriffen werden. Die Wissenschaft als Grundlage für die Corona-Maßnahmen wurde verlassen, unverhältnismäßige und widersprüchliche Maßnahmen wurden beschlossen.

Neben vielen anderen werden durch die Corona-Maßnahmen auch die Vereine und die vielen ehrenamtlich tätigen Menschen hier im Kreis hart getroffen. Der Ehrenamtstag musste 2020 bereits ausfallen. Das Ehrenamt ist das starke Rückgrat unserer Zivilgesellschaft. Deshalb müssen wir als Entscheidungsträger auch in der Pandemie für sie da sein.

Wir b e a n t r a g e n,

  1. Der Landkreis möge gemeinsam mit den Kreisgemeinden ein Gutschein-Programm für das Ehrenamt schaffen.
  1. Der Kreis wird sich mit den Gemeinden ins Benehmen setzen und mit diesen gemeinsam prüfen, ob die Möglichkeit besteht, für die ehrenamtlich Tätigen freien Eintritt in Kreis- und Gemeindeeinrichtungen wie z.B. Museen oder Freibäder zu gewähren.

Damit stärken wir das Ehrenamt in dieser schweren Zeit und setzen ein deutliches Zeichen der Unterstützung.

 2. Soziales

Im Hinblick auf die zu erwartenden finanziellen Belastungen durch die Pandemie, müssen wir als Kreistag auch den größten Haushaltsposten, die Sozialausgaben, im Blick behalten.

Die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz haben sich vervielfacht, nachdem das Alter der zu unterstützenden Personen deutlich erhöht worden ist.

Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz dienen bekanntermaßen dazu Kindern und Jugendlichen, deren unterhaltspflichtige Eltern keinen Unterhalt leisten können oder wollen, eine einigermaßen auskömmliche Lebensgrundlage zu schaffen. Es geht hier aber nicht um einen verlorenen Zuschuss, sondern, um einen Vorschuss, der von den Unterhaltspflichtigen zurückbezahlt werden muss.

Diese verauslagten Gelder einzutreiben, ist ein mühsames Geschäft, weil viele der Unterhaltspflichtigen nicht zahlen können, aber leider vielfach auch nicht zahlen wollen. Die Bemühungen der Mitarbeiter von Frau Funk sind anerkennens- und lobenswert und in einem gewissen Rahmen auch erfolgreich.

Dennoch bleibt ein nicht unerheblicher Teil nicht einzutreibender Aufwendungen übrig. Dies ist sehr bedauerlich und sie werden mir zustimmen, meine Damen und Herren, dass es in höchstem Maße unsozial ist, Kinder in die Welt zu setzen und den Unterhalt für diese Kinder der Allgemeinheit zu überlassen.

Wir wünschen deshalb etwa in der zweiten Jahreshälfte 2021 einen Bericht, zu folgenden Fragen:

  1. Wie hoch ist der Anteil derer, die keinen Unterhalt zahlen können oder nach Einschätzung des Sozialreferates nicht wollen in absoluten und prozentualen Zahlen.
  1. Wie viel der ausstehenden Beträge können bei den Zahlungsunwilligen beigetrieben werden und auf welche Weise geschieht dies.
  1. Um die Situation insgesamt einschätzen zu können sollte der Bericht auch enthalten, wie sich die Situation in den Nachbarkreisen darstellt.

Ein weiteres Augenmerk sollten wir auch auf weitere wichtige soziale Einrichtungen legen, die wir als Kreis unterstützen. Es gibt neben dem Tierschutzverein zum Beispiel auch den Betreuungsverein, und noch andere Vereine, die wichtige soziale Leistungen erbringen und die deshalb mit Recht vom Landkreis mit erheblichen Beträgen unterstützt werden. Diese Einrichtungen in Form gemeinnütziger Vereine könnten ihre Arbeit ohne diese Unterstützung gar nicht erbringen.

Bei der Berechnung dieser Unterstützung gibt es allerdings ein Problem, auf welches wir schon in früheren Haushaltsreden hingewiesen haben.

Die Unterstützung der Vereine erfolgt in der Weise, dass der Landkreis den Abmangel dieser Vereine abdeckt. Dies ist im Prinzip auch so in Ordnung.

Uns geht es aber um die Einnahmenseite der Vereine und die Tatsache, dass zu den Einnahmen der Vereine auch Mitgliedsbeiträge und Spenden gerechnet werden, die diese erhalten.

Das bedeutet, dass Spenden und Mitgliedsbeiträge, die eigentlich den Vereinen zukommen sollen, wirtschaftlich dem Landkreis zufließen. Dies ist unserer Auffassung nach ein unhaltbarer Zustand.

Wir beantragen deshalb, im Laufe des Jahres 2021 zu berichten,

in welchen Fällen die beschriebene Abrechnungspraxis angewandt wird und ob eine Möglichkeit gesehen wird, dass in Zukunft ein gerechter Ausgleich zwischen den Vereinen, dem Landkreis und besonders den Spendern und Beitragszahlern erreicht wird.

  1. Innovation und Zukunft auf der Ostalb

Innovationen, sehr geehrte Damen und Herren, können nicht staatlich verordnet werden. Innovationen entstehen durch die Kreativität des Einzelnen. Innovationsfähigkeit ist die Stärke unserer sozialen Marktwirtschaft.

Vergangene Woche habe ich einen Unternehmer im Ostalbkreis besucht, der auf dem Dach der Halle Photovoltaik-Anlagen installiert hat. Seine Mitarbeiter können dort nun mit einem Elektro-Auto an ihrem Arbeitsplatz umsonst Strom tanken.

So geschehen Innovationen durch Eigeninitiativen im Unternehmen. An dieser Stelle sollten wir ansetzen und als Landkreis solche engagierten Kreisbürger und Unternehmen unterstützen.

Dr. Hilpert von der Universität Augsburg hat am 13. Oktober die Ergebnisse der NiO-Umfrage „Fragen der Woche“ im Kreistag vorgestellt. Das Ergebnis war eindeutig. Die Menschen auf der Ostalb sind offen für Innovationen, sie glauben daran, dass der technische Fortschritt unser Leben besser machen kann.

Entsprechend weitblickend sollten wir auch als Kreistag denken. Der Ostalbkreis als ländlicher Raum wird davon profitieren. Die Landkreisverwaltung hat uns Freie Demokraten dabei als Partner.

Damit meine ich ganz konkret: wir brauchen jetzt Lösungen des 21. Jahrhundert.

Wir in Deutschland versäumen bereits heute die entsprechenden gesetzlichen Regelungen für die praktische Umsetzung von Innovationen von morgen zu erlassen, während im Rest der Welt Hyper-Loops entworfen werden, Teststrecken für autonome Fahrzeuge geschaffen werden und erste autonome Drohnen in die Luft gehen. Wir in Baden-Württemberg brauchen 40 Jahre um eine Ortsumgehung zu bauen. Wir im Ostalbkreis sprechen über Seilbahnen. So werden wir sicher den Anschluss an die Mobilität der Zukunft verpassen.

Für ein echtes Leuchtturmprojekt fordere ich die Landkreisverwaltung auf in die Überlegungen zum Mobilitätspakt einen selbstfahrenden Zug zwischen Heidenheim, Aalen und Ellwangen in Form einer sog. „Monorail“-Bahn einzubeziehen. So kann der wachsende Wirtschaftsraum an dieser Achse konkret profitieren und Verkehr verlagert werden.

Entscheidend für die Zukunft des Ostalbkreises und unverzichtbar für den Wirtschaftsstandort Ostalb ist darüber hinaus der Ausbau der Infrastruktur insgesamt - und zwar in allen Bereichen. Bereits heute haben unsere Unternehmen rund um Bopfingen oder Neresheim im ländlichen Raum erhebliche Probleme qualifizierte Fachkräfte in die Region zu locken. Gute Infrastruktur ist Standortpolitik.

Damit meine ich natürlich den Bereich der digitalen Infrastruktur. Wir haben immer noch einen riesigen Rückstand bei Mobilfunknetzen und Breitband aufzuholen. Das Projekt 5G und Rettungskette ist ermutigend. Es sind von Kreis und Gemeinden aber größere Anstrengungen hin zu 5G und Glasfasernetz notwendig, weil davon in unserer digitalen Welt die Zukunftsfähigkeit unserer Region abhängen wird.

Bei allem Fortschritt sollten wir eines nicht vergessen: der ländliche Raum braucht vor allem auch Grundversorgung vor Ort. Ein Dorf ohne Bäcker, ohne Gaststätte und ohne Lebensmittelladen verliert seinen Kern. Wir müssen unseren Teil als Kreis dazu beitragen, dass Ärzte und Handwerker und Einrichtungen des öffentlichen Lebens im Ostalbkreis eine Zukunft haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, für eine erfolgreiche Zukunft lohnt aber auch ein Blick in die Vergangenheit. Innovationen von der Ostalb haben nämlich eine lange Tradition.

Über viele Jahrhunderte hinweg war die Ostalb ein führender und innovativer Industrie-Standort im Bereich der Eisenverhüttung und im Eisenguss. Die Geschichte reicht dabei zurück bis in keltische Zeit. Von der wirtschaftlichen Bedeutung der Metallverarbeitung für unseren Raum bereits im Altertum künden Ipf und Rosenstein bis heute.

Die Schwäbischen Hüttenwerke in Wasseralfingen, Königsbronn und Heidenheim haben diese Tradition ab 1365 weitergeführt.

Wie eine Anfrage der Freien Demokraten im Landtag ergeben hat, befindet sich eine SHW-Sammlung von ca. 3.600 Eisengussteilen (Ofenplatten, Wappentafeln, Statuen usw.) in Besitz des Landesdenkmalamtes in Schwäbisch-Gmünd zur Katalogisierung und Aufarbeitung. Die Sammlung wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart am 22. Mai 2019 als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung in das Denkmalbuch des Landes Baden-Württemberg eingetragen. In Schwäbisch Gmünd wird die Sammlung derzeit mit einer 450 € Stelle gerade einmal katalogisiert.

Die Sammlung verdient mehr Wertschätzung. In dieser Sammlung spiegelt sich „High-Tech und Innovation von der Ostalb“ wieder. Bei den SHW wurden wegweisende Techniken in der Eisen- und Stahlfertigung erfunden und die Fertigung weltweit revolutioniert.

Die Erhaltung dieser Sammlung ist von größter kultureller Bedeutung für die Wirtschaftsgeschichte der Ostalb. Außerdem kann sie der Grundstein für etwas noch größeres sein.

Wir beantragen,

  1. Die Landkreisverwaltung prüft als untere Denkmalbehörde, inwieweit mit der Stadt Aalen und dem Land Baden-Württemberg ein Erhalt und eine Zugänglichmachung der SHW-Sammlung gewährleistet werden kann.
  1. Die Landkreisverwaltung prüft als untere Denkmalbehörde, wie mit der Stadt Aalen und dem Land Baden-Württemberg ein Konzept für ein Museum der Geschichte der Eisen- und Stahlproduktion in Wasseralfingen erstellt werden kann.

Dadurch würde die Eisen- und Stahlproduktion auf der Ostalb den Stellenwert erhalten, den sie verdient. Wir versprechen uns davon einen großen Mehrwert für die Ostalb auch im Bereich des Tourismus. Einzubinden wäre auch die Hochschule Aalen um ein didaktisches Konzept in Verbindung mit dem Fachbereich Werkstoffkunde zu erarbeiten, um Kinder z.B. an einem kleinen Ofen für Technik zu begeistern.

Mit der richtigen Darstellung der Geschichte des Kreises, wächst auch die Verbundenheit der Menschen mit ihrer Region.

Es handelt sich insgesamt um ein Projekt, bei dem wir auf der Ostalb nur gewinnen können.

Gestatten Sie mir am Ende noch, liebe Kolleginnen und Kollegen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landkreisverwaltung und Ihnen Herr Landrat Dr. Bläse herzlich für Ihre Arbeit zu danken. Sie haben in dieser schweren Zeit hervorragende Leistungen erbracht.

Als Neuling im Kreistag habe ich im letzten Jahr selbst viel lernen dürfen. Zum Beispiel Begriffe, die ich trotz 7 Jahren juristischen Studiums noch nie gehört habe. Dazu gehört der Begriff der „Raumschaft“.

Deshalb möchte ich mit einem Zitat des Künstlers Max Beckmann schließen. Der schrieb einst: „Zeit ist eine Erfindung des Menschen, der Raum ist der Palast der Götter“.

Lassen Sie uns unseren Raum, die Ostalb, gemeinsam gestalten.

 

 

 


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